Das Wintertuch von Rahima
(Lieferung Frühling 2012)
und die Winterbilder:
ein diffiziles Experiment

Im September 2012 war ich mit Sarah in Afghanistan. Wir wollten ein Experiment wagen und die Frauen um eine “Winterkollektion“ bitten. Dazu trafen wir uns wie immer mit Shamin im Dorf Kakara und baten sie um ihre Mitarbeit. Sie war einverstanden, also konnten wir es versuchen.
Nomalerweise bekommt eine Stickerin die Menge Garn zugeteilt, die sie für die Anzahl der Quadrate, die sie sticken darf, benötigt. Bei diesem Projekt machten wir es anders. Wir übergaben Shamin einen Karton voller Stickgarne in Naturtönen und sehr viel Weiß, daraus durften die Frauen sich selbst bedienen. Die Zusammenstellung der Farben sollte deutlich eine Winterstimmung suggerieren, die Stickerinnen wurden gebeten, mit diesen kalten Farben den Winter zu dokumentieren und seine Stimmung wiederzugeben.
 
Das Experiment ist aus folgenden Gründen nicht geglückt::
 
Die Stickerinnen haben sehr viel Zeit gebraucht zum Aussuchen und Ausrechnen der benötigten Garne, denn sie waren unglücklich über die Auswahl der bereitgestellten Farben. Ihre Lieblingsfarben, kräftige Farben, waren ja nicht dabei. Außerdem war Shamins Raum zu klein für alle und so mussten viele Frauen lange Zeit draußen in der Kälte sitzen. (Im Quartal darauf habe ich mich im Rundbrief bei ihnen entschuldigt).
Als die gestickten Tücher in Freiburg eintreffen, ist Rahimas Tuch das einzige, das Winterdarstellungen und eine Winterstimmung wiedergibt. Ihre Kolleginnen haben ein, höchstens zwei Winterquadrate gestickt. Die Tücher sind fast so bunt wie immer. Sie haben Garnreste von früheren Arbeiten benutzt. Mögen sie kein Weiß? Hatten sie keine Lust, sich Gedanken zu machen und neue Muster auszudenken? Oder raubt der Winter zu viel Kraft?
Wir erfahren, dass der Schnee nicht nur oben auf den Bergen liegt, sondern überall. Dachterrassen müssen vom Schnee befreit werden, Regenschirme dienen als Schneeschirme, man braucht Mützen und Schals und wie bei uns bauen die Kinder auch dort Schneemänner. Man hält sich warm mit dem sandali, das ist ein Gestell, über das eine Decke gehängt wird. Man setzt sich halb darunter und platziert eine Blechdose mit Glut und mit dem bokhari (dem Holzofen).