Reisebericht vom Dezember 2017

Anfang Dezember war ich für eine Woche in Afghanistan. Drei Tage verbrachte ich in den Dörfern der Shomali-Ebene, einen Tag pro Dorf, und traf mich dort mit jeder Stickerin. Ich bezahlte sie für die Stickereien, die sie beim letzten Mal abgegeben hatten, kommentierte ihre nun eingereichten Arbeiten und händigte ihnen Garne und Trägerstoffe für das kommende Vierteljahr aus.

Seit Februar 2016 …

schlafen wir in den Dörfern und kehren abends nicht nach Kabul zurück. Das ist in verschiedener Hinsicht vorteilhaft. Denn die größten Risiken im Hinblick auf Sicherheit befinden sich auf der Straße. Je weniger man sich auf den Straßen bewegen muss, umso größer ist die Chance, nicht angehalten, ausgeraubt oder entführt zu werden. Die Wintertage sind sehr kurz und wenn man auf dem Dorf bleibt, kann man das Beste aus einem Arbeitstag machen. Denn die ersten Stunden des Tages sind sehr kalt in dieser Jahreszeit, die Frauen tun sich schwer, das Haus zu verlassen und der Arbeitstag beginnt deshalb ziemlich spät, d. h. ungefähr gegen 9.30 Uhr. Dann kommen die Sticker­innen zu einem Treffpunkt, der sich im Hof oder, im Winter, im Haus einer Stickerin befindet, die genügend Platz hat. Positiv ist ebenfalls, dass man die Abende im Kreis der Gastfamilie verbringen kann und somit die Möglichkeit hat, die Lebensgewohnheiten kennenzulernen und entspannter Stunden miteinander zu verbringen.

Die Kälte ist gekommen.

Ab 5 Uhr nachmittags, wenn es bereits dunkel wird, bis 10 Uhr morgens wird sie bereits deutlich spürbar. Danach setzt sich die Sonne durch und wärmt die Körper auf, die noch schläfrig von der Nacht unter warmen Decken sind und die sich nun in einem Zimmer von 5 – 8° bewegen müssen. Es gilt also, schnell das Wasser zu erhitzen und Tee vorzubereiten, Thermos­kannen für den ganzen Tag. Diese Aufgaben haben die jungen Mädchen jeder Familie zu übernehmen.
Abhängig vom Lebensstandard der Familie unterscheidet sich das verwendete Heizmaterial: von aufgesammelten Zweigen oder getrockneten Kuhdungfladen, den pati, bis zur Gasflasche, die in moderner Version etwas hermacht.
Mit den wenigen Fotos (rechts) und den drei Stickereien von Mesghan versuche ich diese für uns unbekannte Wirklichkeit zu veranschaulichen: Die Herstellung, Trocknung, Lagerung und Verwendung der pati für die Küche. Meshgan verbrennt sie im tandor, dem eingegrabenen Ofen, der es ermöglicht, Fladenbrote zu backen.

Am Ende dieses Jahres weht eine neue Brise auf unserer dreisprachigen Guldusi-Seite: die Vorstellung einer kleinen Auswahl von Arbeiten einiger Stickerinnen, die eine besonders individuelle und ausgeprägte „Handschrift“ in ihrer Stickkunst besitzen. Diese Präsentation bestätigt die erfolgreiche und positive Entwicklung dieses abenteuerlichen Projekts. Diese neuen Galerien finden Sie hier.

Beim letzten Gespräch mit Khaled,

bevor ich sein Land verließ, teilte dieser mir sein „Vertrauen“ in die Zukunft mit. 2017 habe es auf allen Seiten (Armee / Polizei, Taliban / IS, Zivilbevölkerung) mehr Tote als je zuvor gegeben, das könne 2018 nicht noch schlimmer werden.
 
Mit dieser nur relativ positiven Äußerung wünsche ich Ihnen ein Jahr 2018, das weit entfernt sein möge von der dort unten stattfindenden Tragödie eines nicht enden wollenden Krieges.

Pascale
 
Den gesamten Reisebericht können Sie oben rechts als PDF herunterladen.