Reisebericht vom Mai 2018
In den Osterferien ist Margreth in Afghanistan in den Dörfern gewesen. Obwohl ich selbst noch im Dezember in Afghanistan war, in jener Zeit alle Stickerinnen dort getroffen und ihre fertig gestickten Tücher kommentiert habe, war wieder vieles in die Wege zu leiten. Margreth erhielt von mir sieben Seiten mit Kommentaren, in denen ich sie über die Frauen, die mit ihnen abgestimmten Sonderarbeiten sowie die Ratschläge und Wünsche meinerseits informierte. Margreth ist sehr erfahren und geübt in diesen Dingen, aber als sie die Notizen erhielt, klagte sie, dass alles kompliziert und aufwendig geworden sei. Ich stimme ihr zu! Bis vor wenigen Jahren beschränkte sich die Produktion der Stickereien zu 95 % auf Quadrate, inzwischen werden viele verschiedene Formen gestickt. Die Quadrate nehmen nur noch 50 % ein, daneben gibt es linsenartige Formen, Rechtecke, Bänder und Herzformen. Es gibt auch größere Kreise und kleine, die dann zu Knöpfen verarbeitet werden, Blätter, Augen, Buchstaben, Porträts, Kreuze und Vögel. Seit Neuestem auch Kühe und sogar Mäntel. Darüber hinaus haben sich einige Frauen in den Jahren auf besondere Stickweisen spezialisiert, ihre Arbeiten sind sofort zu erkennen. (Siehe rechts in der Galerie eine Auswahl besonderer Stickereien.)
2011 hatten einige Frauen die Idee, den Platz auf dem zu bestickenden Tuch, der manchmal leer blieb, zu nutzen, um darauf ein Band zu sticken. Natürlich bezahlen wir die zusätzliche Arbeit. Mir gefiel die Idee und mir fiel auf, dass einige Stickerinnen viel schönere Arbeiten ablieferten, wenn sie Bänder statt Quadrate stickten. Bibigul, Guti und Zibagul sticken inzwischen nur noch Bänder.
Viele schöne Bänder sind eingetroffen, wir haben eine ganze Galerie damit gefüllt. Bitte schauen Sie sich diese an. Unter der Rubrik Verarbeitung finden Sie jede Menge Ideen zur Gestaltung von Gebrauchsgegenständen mit diesen Stickereien.
Vor einiger Zeit sammelte ich die Tücher auf den Dörfern ein, darunter auch das Tuch von Delhjan aus dem Dorf Qala-e-Kona. Ein Tuch mit 20 Quadraten und einem fast fertigen Band. Sie selbst konnte ich leider nicht mehr treffen, da sie kurz vorher verstorben war. Die abgebrochene Stickerei einer Tulpe zeigt das Unerwartete ihres Todes.
Zu fast jeder Zeitung gehört die Rubrik „Rezepte“. Die soll auch im Guldusi-Newsletter nicht fehlen! Ein Frühlingsrezept, das Tradition auf den Dörfern hat, ist SAMANAK. Zubereitung: Weizenkörner über Nacht einweichen und dann über mehrere Tage zum Keimen bringen. Die Keimlinge mit etwas Wasser pürieren, bis eine Art Milch entsteht. Diese „Milch“ anschließend mehrfach verdünnen und filtern, um die groben Teilchen zu entfernen. Anschließend mit etwas Mehl anreichern und über 24 Stunden (!) ohne Unterbrechung unter ständigem Rühren kochen. Die Masse dickt ein, karamellisiert leicht und schmeckt dann wunderbar süß, ohne dass Zucker zugesetzt wurde. Familien schenken sich gegenseitig Samanak und arme Frauen verdienen sich etwas Geld mit dieser sehr aufwändigen Zubereitung.
Ramadan oder Ramazan, wie die Afghanen auch sagen, hat begonnen. Während dieser Zeit können die Frauen weniger sticken, denn die nötige Energie fehlt ihnen. Bis Ende Juli werden sie ihre Arbeiten sicherlich ausgeführt haben und uns aufs Neue mit der Farbenpracht und der Fülle an Ideen überraschen.
In der Galerie zeige ich Ihnen noch eine Auswahl an bezaubernden Stickereien, die mir selbst besonders gut gefallen.
Vielen Dank für das Interesse und herzliche Grüße
Ihre Pascale Goldenberg
im Mai 2018