Aus der Küche,
Gefäße, Behälter und Utensilien...

Diese Ausstellung ist eine Zusammenarbeit zwischen den Vereinen Textile-Résonance (FR) und der DAI.
 
Zögern Sie nicht, im Katalog der Ausstellung im Vollbild-Modus herumzublättern.

Benutzen Sie die Funktion „zoom“, um die drei Etappen jeder kunsthandwerklichen Arbeit detailliert betrachten zu können:
1. den von einer Europäerin geschaffenen „Rohling“
2. die gestickte „Antwort“ der Afghanin
3. die Endarbeit der Europäerin, nachdem sie den von ihr entworfenen „Rohling“ nach seiner Rückkehr aus Afghanistan abschließend gestaltet hat.
 
Die Ausstellungen, die seit 10 Jahren in Europa von Pascale Goldenberg und der D.A.I. e.V. durchgeführt werden, haben immer die Textilarbeiten von Europäerinnen und Europäern gezeigt, deren Ausgangspunkt grundsätzlich ein oder mehrere von Afghaninnen angefertigte Stickquadrate waren. Die Ausstellung »Aus der Küche, Gefäße, Behälter und Utensilien« kann somit als »Premiere« betrachtet werden.
Wie angezogen von den zauberhaften Quadraten, Zwischenstadien in unseren vielfältigen Annäherungen an eine zeitgenössische textile Kunst, habe ich, wie viele Europäer/innen, die Entwicklung der Stickerinnen von Laghmani mit konstanter Bewunderung aufmerksam verfolgt. Ich habe die kleinen bestickten Oberflächen, die uns angeboten wurden, anfangs eher registrierend wahrgenommen, um sie dann in einer kreativen Weise fortzuführen. Schließlich begann ich von Kreationen mit vier Händen zu träumen, d.h. von einer gemeinsamen Arbeit mit einer noch unbekannten Freundin im Norden Kabuls. Dazu musste ich Pascale, die Leiterin des Projekts, von einer möglichen Partnerschaft mit der Vereinigung Textile-Résonance überzeugen, in der ich mich seit 2005 engagiere.
Für diese Herausforderung haben wir konkrete Grundlagen für ein gemeinsames Verständnis schaffen müssen, denn die Interpretation eines abstrakten Themas hätte wohl das Scheitern des Projekts bedeutet. So war es nötig, dass die Europäerinnen den Afghaninnen nachvollziehbare und visuell ergänzungsfähige Entwürfe zur Verfügung stellten, die ihnen ermöglichten, eine Grundidee, eine Vorstellung des ausländisch-fremden Konzepts zu erfassen, das vermutlich auch fremdartig auf sie wirken musste, um dann auf dieser Basis mit einer persönlichen Ergänzung reagieren zu können. Das Thema »Küche und Utensilien« mit seinen Bezügen zur kollektiven Geschichte schien uns geeignet zu sein. Jede konnte hier etwas Individuelles mit gleichzeitig universellem Wert frei zum Ausdruck bringen.
Diese Ausstellung, in der Europäerinnen und Afghaninnen ein »stimmiges Arrangement« finden mussten, und zwar undogmatisch, authentisch und emotional-expressiv, war die Geburtsstunde von eben soviel Ausdrucksformen wie auch Künstlerinnen.
Ich richte deshalb meinen allergrößten Dank an Pascale, meine Mitstreiterin und Freundin. Sie hat das Projekt mit großem Einsatz und mit Weitblick durchgeführt, da sie das Leben der afghanischen Frauen und ihre Schwierigkeiten gut kennt. Ein herzlicher Dank geht auch an die 200 Teilnehmerinnen, an die europäischen und die afghanischen Künstlerinnen, die sich engagiert haben, um dieses reizvolle Abenteuer mit Leben zu füllen.
Joëlle Jan-Gagneux
 
Als Joëlle Jan-Gagneux mir im November 2011 ihr Konzept vorschlug, eine in Europa begonnene Arbeit afghanischen Stickerinnen zur Fortführung und Ergänzung zur Verfügung zu stellen, also einmal den bisher gegangenen Weg umzukehren, erkannte ich das Geniale dieser Idee. Die Vorsicht führte mich dennoch dazu, diesen Weg behutsam anzugehen, denn es gilt, vor allem im traditionsgeprägten Afghanistan, Innovationen mit Bedachtsamkeit einzuführen. Es lässt sich nicht bestreiten, dass das Handwerk der Stickerei sich während der letzten zehn abenteuerlichen Jahre in afghanischen Dörfern erfreulich weiterentwickelt hat. Dennoch ist es unmöglich, die traditionelle Realität der afghanischen Frau auf dem Lande zu ignorieren. Egal, worum es auch gehen mag, hat sie immer noch keine Möglichkeit, eigenständig Entscheidungen zu fällen oder eine Wahl zu treffen. Der kreative Prozess des Stickens erscheint inmitten dieses Umfeldes wie eine unerwartete exotische Option. In diesem Rahmen ist es ihnen möglich, sich Freiheiten zu erlauben, sofern sie in der Lage sind, diese Möglichkeiten zu erkennen und zu ergreifen.
Die Phase der Umsetzung vor Ort, die ich im Oktober 2013 begleitete, veranschaulichte mehr oder weniger offenkundig unsere Unterschiede: nur wenige waren in der Lage, spontan den Sinn der »Botschaft« zu erfassen, die sich aus der Motivgestaltung ergab, die die Europäerinnen vorgenommen hatten; das heißt nur wenige waren fähig, die Arbeiten « zu lesen « und dann « zu interpretieren». Mit den anderen Stickerinnen war ein konstruktiver Gedankenaustausch nötig: Was sieht man auf der Oberfläche? Wozu wird das gebraucht? Wie sieht es in Afghanistan aus? Wie könnte die Arbeit ergänzt oder vervollständigt werden? Unter Berücksichtigung der Forderung, dass die Stickerei der Fläche von zwei klassischen Stickquadraten entsprechen sollte: Wie könnte sie aussehen und wo könnte sie platziert werden? Aufgrund derartiger Gespräche gab es einige Tage später überraschende Entwicklungen in den Stickereien, zum Teil befriedigend, zum Teil überraschend, sogar verwirrend-seltsam : ein klaffender Graben zwischen den Kulturen tat sich auf, eine zu tolerierende Tatsache. Und dennoch kehrte ich entspannt und gelassen aus Afghanistan zurück und war zufrieden mit den Arbeitsergebnissen dieser schwierigen « Mission », obwohl die einzelnen Etappen ihrer konkreten Durchführung bei mir manchmal Zweifel daran aufkommen ließen, ob ich überhaupt etwas Brauchbares und Sehenswertes nach Europa zurückbringen können würde.
Ich möchte mich ganz herzlich bei den europäischen Teilnehmerinnen bedanken, die sich mit uns vertrauensvoll auf dieses Abenteuer eingelassen haben.
Pascale Goldenberg