Bunte Fische

Eine Ausstellung, diesmal von den Afghaninnen selbst produziert.
Das hier gezeigte „Fisch-Projekt“ sollte eigentlich in einem Sonderbericht erwähnt werden, aber die Zusammenstellung der vielen Fische ist einfach so schön und gelungen, dass wir sie Ihnen hier wie in einer Ausstellung zeigen möchten. Man wünscht sich, in einer Ausstellung in ihrer Mitte zu schwimmen …
Wie entstand dieses „Fisch-Projekt“?

2012 bekam ich ein großes Stoffstück geschenkt, das als Vorhang gedient hatte. Darauf waren rasterartig drei verschiedene Fischmotive gedruckt, die einer Zeichnung ähnelten. Der Stoff eignete sich hervorragend zum Besticken. Knapp 60 Fische wurden daraus gewonnen, und zwar jeweils ungefähr auf einer Fläche in DIN-A4-Größe.
In Freiburg wurde für jedes Stoffstück Garn vorbereitet, eine Palette von fünf Farben, die gleiche für alle, aber mengenmäßig nur so viel, dass lediglich Konturen und Details der Fische gestickt werden konnten. Die gestickte Fläche sollte etwa die eines einzigen Quadrats ergeben (circa 17m Stickgarn).

Im Oktober 2012 wurden die Fische mit den Stickgarnen im Dorf Qala-e-kona ausgeteilt, ein Fisch pro Stickerin.
Die Aufgabe dazu wurde folgendermaßen erklärt:
„Die Menge Garn reicht nicht aus, um den ganzen Fisch auszufüllen. Bitte verwendet nur diese Garne und verbraucht sie. Verteilt die Stickerei auf dem Fischmotiv. Ihr seid frei in der Wahl eurer Motive innerhalb dieser Fläche.“

Was ergab sich drei Monate später?
Sie haben das Ergebnis vor Augen: lauter bunte Fische! Welche fünf Farben waren vorgegeben? Das ist nicht mehr erkennbar. Und außerdem: alle Fische wurden vollflächig ausgestickt!!!!

Was war geschehen?
Meine Vermutung: die Stickerinnen sind daran gewöhnt vollflächig zu sticken.
Traditionell haben sie sicher nicht so gearbeitet, aber durch unser Projekt haben sie das gelernt. Sie hören nicht richtig zu, wenn etwas Neues gewünscht wird. Weil sie fürchten, etwas falsch zu machen, greifen sie lieber auf Gewohntes zurück.
Die Frauen auf den Dörfern werden in der Tradition erzogen, sie wachsen mit ihren neuen Aufgaben, es bleibt aber kaum Platz für eigene Entscheidungen und eigenständiges Arbeiten. Sie haben die Sonderarbeit angenommen, weil sie sehr klein war und es bot sich die Möglichkeit, etwas dazuzuverdienen.
Die Fragen: Was soll ich auf der Fläche sticken und wieviel und wohin? Hat sie wohl überfordert. Da war es einfacher, auf dem Motiv alles auszusticken. So konnten sie – ihrer Meinung nach – nicht so viel falsch machen. Außerdem hatten sie so mehr Platz zur Verfügung und da sie ja nach bestickter Fläche bezahlt werden, ergab es einen höheren Lohn. (Ich habe sie tatsächlich bezahlt, als hätten sie zwei oder drei Quadrate gestickt). Ob es die Idee einer Frau war, die die anderen dann angesteckt hat, oder ob es eine gemeinsame Entscheidung war, wissen wir nicht.
Das verteilte Garn hatte natürlich nicht gereicht, was aber kein Problem für sie war, da sie alle auch restliche Garne aus vorherigen Projekten haben.

Das Ergebnis des Experiments ist anders ausgefallen als erwartet. Wir nehmen es an, wie es kommt. Es ist ein großes Glück, dass die Frauen bei diesem Projekt große Freiheit genießen. Hin und wieder sind wir von den Ergebnissen enttäuscht, aber wir erleben auch wunderbare Überraschungen – wie bei diesen Fischen, die wir nicht so erwartet hatten, aber nun begeistert als schön und besonders kreativ zu schätzen wissen.

Die Fischserie ist erst einmal nicht verkäuflich.