Pascale Goldenberg
"Gebastelte Gärten"
Stickerin Rasuhagul
In Afghanistan findet man traditionelles Patchwork von ganz besonderer Art. Diese Arbeiten wurden von den turkmenischen Frauen gemacht. Sie kombinierten zwei Techniken: die Kreuzstickerei auf dünnen Bändern mit dem eigentlichen Patchwork, dem Zusammennähen von Stoffresten. Diese Arbeitsweise ist sehr selten. Solche Patchworkarbeiten wurden ausschließlich dazu gemacht, Hauswände zu schmücken. Sie wurden entweder direkt auf die noch feuchten Lehmwände “aufgeklebt” oder mit zwei kleinen, in den Ecken angenähten Schlaufen dort aufgehängt. Selten haben sie eine Rückseite und die Nähte sind offen. Man kann davon ausgehen, dass manche Frauen Spezialistinnen für die Kreuzstickerei waren, sie stickten meterweise diese Bänder, und andere waren für die Näharbeit zuständig, sie nähten sowohl mit der Hand als auch mit der Nähmaschine die Bänder mit den Stoffstückchen zusammen. Die Arbeiten wurden also in zwei Schritten gefertigt.
Durch diese turkmenischen Textilarbeiten, die mich faszinieren, fand ich die Inspiration für mein eigenes Patchwork. So fange ich auch einige meiner eigenen Textilarbeiten an. In die erste Phase gehört das Zusammennähen von schmalsten bis zu breiteren Stoffstreifen zu größeren Flächen. Dazu verwende ich ausschließlich ein ganz besonderes Material mit folgender Vorgeschichte: Stoff-Tücher werden von Freiburg nach Kabul geschickt und die Frauen sticken ihre Quadrate darauf. Diese bestickten Tücher kommen drei Monate später zurück und werden grossteilweise zerschnitten, damit die gestickten Quadrate einzeln verkauft werden können. Durch das Zerschneiden der Tücher wird Abfall produziert, das sind dünne bis breitere Streifen, die ich sammle. Mit diesen Streifen, also mit Abfallmaterial, beginne ich meine Arbeit. Kein Zentimeter von diesem Patchwork ist neu, diese Stoffe haben schon die Strecke Freiburg-Kabul-Laghmani und zurück hinter sich. Dann besticke ich sie mit den vorprogrammierten Stichen der Nähmaschine. Ausgangspunkt sind also keine Bänder, sondern Flächen. Es werden keine Kreuzstiche mit der Hand ausgeführt, sondern “hoch technisierte Maschinenstiche“. Auf diese Weise sollen meine Arbeiten das Prinzip der Wiederverwertung widerspiegeln.
Die Afghaninnen können wunderbar sticken, aber nähen können sie in der Regel eher schlecht. Teilweise nähen sie ihre eigenen Kleidungsstücke. Ob ein Kragen schief und eine Seite kürzer als die andere ist, das ist für sie unwichtig. Es ist das Gleiche bei den Männern, wenn sie z.B. eine Tür reparieren, dann soll sie für den nächsten Tag halten, mehr wird nicht verlangt. Die Arbeit entspricht eher einer “Bastelei”. Das Einzige, was wirklich lange hält, sind die Lehmhäuser, die fachmännisch hochgezogen werden.
Mit diesem Hintergrundwissen ging ich auch an meine Arbeiten. Ich führte keinen gepflegten Nähstil aus, so wie es in Europa üblicherweise gehandhabt wird, sondern verzichtete auf die strengen Regeln des Handwerks und bastelte mein Patchwork zusammen, das “Gebastelte Gärten“ heißen soll.
Letztendlich stürzte in mich in die Arbeit wie in ein Abenteuer, ohne Skizze und ohne weiteren Plan. Durch dieses Vorgehen nehme ich die Gestaltungsweisen der turkmenischen Frauen bewusst auf: das Stickprojekt begann vor drei Jahren, ohne dass die Beteiligten wussten und heute auch nicht wissen, wohin es uns letztlich führen wird …
Text von Pascale Goldenberg